„Zur Sache Rheinland-Pfalz!“

Der Pressekodex verpflichtet Journalisten zur Sorgfalt. Am 6. Februar 2014 hat der SWR diesen Grundsatz in einem Beitrag zum Bistum Limburg missachtet. „Faktencheck-Limburg“ dokumentiert und analysiert diese Sendung.

PDF zum herunterladen: Schüller_SWR_Analyse_I

Die mediale Behauptung

Die Realität
   

SWR, 06.02.2014, „zur Sache Rheinland-Pfalz!“

 

Anmoderation: „Hat Tebartz-van Elst selbst die Gerüchte gestreut, das Bistum Limburg könnte aufgelöst werden? Das behauptet zumindest ein renommierter Theologe, der den Bischof bestens kennt gegenüber „zur Sache“.

Eine Behauptung ist noch kein Fakt. Hat die Redaktion diese Behauptung auf Stichhaltigkeit überprüft?

Fest steht: Die Gerüchteküche brodelt rund um den Dom.

Mit „Gerüchteküche“ hat die Redaktion den Informationsgehalt der meisten Äußerungen zur „Causa Limburg“ sehr gut getroffen.

Tebartz-van Elst tauche regelmäßig auf, mische sich sogar in Bistumsangelegenheiten ein, heißt es da – das wäre ihm ja untersagt im Moment. Denn der Papst hatte Tebartz-van Elst schließlich eine Auszeit verordnet. Eine Kommission prüft derzeit die Kostenexplosion beim Bau des neuen Bischofssitzes.

Dem Bischof ist vom Vatikan nichts untersagt und nichts verordnet. Ihm wurde eine Auszeit außerhalb des Bistums gewährt.

„Zur Sache“ recherchierte was dran ist an den brisanten Gerüchten. Und das, was Kai Diezemann herausfand, deutet darauf hin, dass das kleine Limburg zum Brennpunkt eines großen Richtungsstreits geworden ist.

„Brisant“ sind die Gerüchte nur, wenn man nicht verstanden hat, was der Papst dem Bischof gewährt hat.

Dass hier ein Richtungsstreit tobt, hat Stadtdekan Johannes zu Eltz im Oktober 2013 in seinem Brief an seine Mitarbeiter öffentlich gemacht: „Die Ambivalenzen der Regelung deuten in meinen Augen darauf hin, dass der Kampf um den Kurs der Kirche in Deutschland, in dem unserem Bischof eine wichtige Rolle zugedacht war, noch nicht entschieden und noch nicht zu Ende ist.

Diezemann: „Wie Blitze schlagen die neuesten Gerüchte in diesen Tagen in den Limburger Domberg (Bischof in roter Robe mit Hermelinbesatz).

Der Bischof wird in einer Fürstbischöflichen Kleidung gezeigt, die er nie getragen hat und die auch nicht seinem Naturell entspricht, wie alle bestätigen, die ihn näher kennen.

Gerücht Nummer eins: TvE sei wieder in Limburg und nehme Einfluss auf die Amtsgeschäfte des Generalvikars, obwohl der Papst das verboten hatte.“

Stephan Schnelle, Sprecher des Bistums Limburg: „Wenn er in Limburg ist, sind das ganz kurze, gelegentliche Besuche, um persönliche Dinge zu erledigen.“

Der Papst hat dem Bischof nicht „verboten“, die Amtsgeschäfte zu führen. Er hat ihm eine Auszeit gewährt, weil es im Bistum zu einer Situation gekommen ist, in der der Bischof sein Amt nicht mehr ausüben kann. Nach dieser Formulierung des päpstlichen Bulletins könnte der Bischof demnach jederzeit wieder in sein Bistum zurückkehren und das Amt weiter führen.

Diezemann: „Gibt er dem Generalvikar auch Anweisungen?“

Schnelle: „Es gibt keinerlei Anweisungen an den Generalvikar.“

 

Der Bischof hält sich also an alle Vereinbarungen und lässt seinen Generalvikar ungestört arbeiten.

Diezemann: „Gerücht Nummer zwei: Tebartz-van Elst wolle um jeden Preis Bischof in Limburg bleiben.“

Jutta Lehnert, Pastoralreferentin Bistum Trier: „Man hat auch den Eindruck, dass er keine Einsicht gewonnen hat, dass er beratungsresistent ist.“

 

 

Warum kommt hier eine Pastoralreferentin aus einem fremden Bistum, dem Bistum Trier, zu Wort? Welchen Bezug hat sie zum Bistum Limburg und welchen Bezug hat ihre Aussage zur Frage?

Diezemann: „Und Gerücht Nummer drei: Rom wolle das Bistum Limburg gar auflösen.“

In Rom machen sich viele Menschen viele Gedanken über die Zukunft des Bistums Limburg. Eine starke Option dieser Überlegungen ist unter anderem auch, die Auflösung des Bistums, wie „faktencheck“ aus Rom selbst zu hören bekam.

Prof. Thomas Schüller, Kirchenrechtler, Uni Münster: „Das ist ein von Bischof Tebartz-van Elst selbst gestreutes Gerücht, und das soll einfach nur dafür sorgen, dass die Gläubigen verunsichert werden.“

 

Schüller spekuliert ohne jeden Beleg seiner These.

Diezemann: „Der Reihe nach. Was ist los in Limburg? Das Bistum und sein umstrittener Bischof werden gerade zum Schauplatz eines Streits gegensätzlicher Kräfte der katholischen Kirche. Im Bistum selbst hoffen fast alle auf einen Neuanfang, erzählt uns ein Mitglied des bischöflichen Beratungsgremiums.“

 

 

Diese „Hoffnung“ ist eine reine Spekulation, weil das Kamerateam in der derzeit aufgeheizten Stimmung im Bistum schwerlich jemanden vor die Kamera bekommen hat, der sich öffentlich „pro Bischof“ ausspricht. Menschen, die das taten, bekamen Ärger und Druck aus dem Bistum.

Wiegand Otterbach, Synodalrat, Bistum Limburg: „Ich kenne keinen, der sich vorstellen kann, dass der Bischof nochmal die Leitung in Limburg übernimmt.“

Herr Otterbach scheint eine sehr selektive Wahrnehmung zu haben. Es gab Unterschriftenlisten und Erklärungen für den Bischof, wie sehr leicht hätte recherchiert werden können.

Diezemann: „Auf der anderen Seite melden sich erzkonservative Stimmen zur Verteidigung von Tebartz-van Elst, etwa der Kirchenhistoriker Walter Kardinal Brandmüller. Der sieht die Schuld an dem Konflikt nicht beim autoritären Bischof, sondern in der ‚antirömischen Stimmung‘ des liberalen Bistums Limburg.“

„Verteidiger“ des Bischofs sind, ohne jede Erläuterung, „erzkonservativ“? Was ist mit den 4000 Unterschriften aus dem Bistum für den Bischof? Was mit den Stimmen der muttersprachlichen Gemeinden?

Wo bleibt der Beleg für den angeblich „autoritären“ Bischof? In der Hessenschau vom 12.3.2013 sagt Frau Schillai, Präsidentin der Limburger Diözesanversammlung: „Ja. Er nimmt Kritik an. Man kann mit ihm reden. Und es gibt Dinge, die einfach, wenn die besprochen wurden, geändert wurden oder nicht so umgesetzt wurden.

Brandmüller sieht nicht die „Schuld“ sondern er benennt in seinem Beitrag „Ursachen“ die zur Situation im Bistum Limburg mit beigetragen haben.

Schüller: „Ich kann ernsthaft als Wissenschaftler nicht sagen, dass ich das noch für vernünftig erachten kann. Das sind Pamphlete, die er von sich lässt. Auch das Zerrbild, was er über das Bistum Limburg beschreibt, äh, mit Wissenschaft, mit Akkuratesse, mit Sorgfalt hat das nichts mehr zu tun.“

Brandmüller ist ernsthafter Kirchenhistoriker, Schüller ist Kirchenrechtler. Schüller bleibt jedes vernünftige Gegenargument schuldig. Er verurteilt nur. Historiker werden entscheiden, ob das ein Zerrbild ist oder nicht. Schüller ist Kirchenrechtler, nicht Historiker Er hat in dieser Frage keine besondere Kompetenz.

Lehnert: „ Man kann nicht sagen, das Bistum Limburg sei besonders ketzerisch gewesen. Also es gibt immer kritische Menschen in der Kirche. Des war aber im Bistum Limburg nicht anders, als im Bistum Trier, nicht anders als im Bistum Aachen.“

Die Pastoralreferentin aus dem Bistum Trier wird hier als Zeugin für den „Wahrheitsgehalt“ einer Meinung herangezogen. Aussagekraft null.

Diezemann: „Jutta Lehnert ist Pastoralreferentin im benachbarten Bistum Trier. Sie kennt die katholischen Bistümer im Land gut. Tebartz-van Elst als Opfer eines rebellierenden liberalen Bistums darzustellen, sei schlicht falsch, sagt sie.“

… und weil eine Pastoralreferentin aus dem Bistum Trier das so sagt, dann muss das ja so sein. Ist das noch Journalismus?

Lehnert: „ Also das halte ich für eine Diffamierung oder eine Verschwörungstheorie, sogar.“

Frau Lehnert bringt keine Belege für Ihre Meinung. Die dokumentierte Aussagen von Stadtdekan zu Eltz (s.o.) widerlegen ihre Meinung.

Diezemann: „Noch weiter geht der Kirchenrechtler Thomas Schüller in seiner Analyse. Er kennt sowohl das Bistum Limburg, als auch den Bischof selbst. Er hat ein Jahr unter Tebartz-van Elst gearbeitet.“

 

Schüller. „Es ist ganz klar zu erkennen, dass er nicht mit Kritik, nicht mit Konflikten umgehen kann, sondern hat ein sehr stark überhöhtes Bild vom Bischof hat, das besagt: ‚Ein Bischof ist unberührbar, ist nicht in Frage zu stellen.“

In der Hessenschau vom 12.3.2013 sagt Frau Schillai, Präsidentin der Limburger Diözesanversammlung: „Ja. Er nimmt Kritik an. Man kann mit ihm reden. Und es gibt Dinge, die einfach, wenn die besprochen wurden, geändert wurden oder nicht so umgesetzt wurden.

Ihre Vorgängerin, Beatrix Schlausch, äußert sich am 4.7.2009 in einem Beitrag für die Bistumshomepage folgendermaßen: „In vielen Gesprächen spüre ich, wie viel ihm an einer guten Zusammenarbeit mit den synodalen Gremien liegt. Unserem Bischof ist bewusst: Die Mitarbeit von Ehrenamtlichen in der Kirche wird in Zukunft noch wichtiger.“

Diezemann: „Und nun kommt ein Paukenschlag. Aufgrund dieser Persönlichkeitsstruktur, glaubt der Kirchenrechtler, habe Tebartz-van Elst selbst das Gerücht gestreut, das Bistum Limburg solle aufgelöst werden.“

Schüller: „Das ist so eine Rachephantasie: Wenn ich mein Amt verliere, dann sollen die, die mich aus dem Amt gejagt haben, auch noch einen Schaden haben indem sie kein Bistum mehr sind. Reine Rache- und Machtphantasie.“

 

Ein Journalist lässt einen Kirchenrechtler, der etwas „glaubt“, hobbypsychologische Diagnosen stellen? Ist das journalistisch?

Das wirkt, als habe jemand tief in der eigenen Psyche gekramt und unterstellt sein eigenes Denken jetzt Bischof Tebartz-van Elst.

Eine solch gewagte Behauptung ohne Frage nach einem Beleg alleine stehen zu lassen, ist zutiefst unjournalistisch.

Diezemann: „Das hört sich ja nach mafiösem Krimi an?“

 

Schüller: „Nein. Das ist nicht mafiös. Das ist ein Erziehungsmuster, was sehr lange in der katholischen Pädagogik verbreitet war, dass man durch Androhung von Gewaltkulissen – also: Der liebe Gott wird Dich strafen, wenn Du das Bonbon klaust – damit will man versuchen Leute zu disziplinieren und auf die Spur zu bringen.“

 

 

 

Dieses Erziehungsmuster mag es gegeben haben. Aber kann Schüller belegen, dass der Bischof es anwendet?

Belegt Schüller, dass tatsächlich Tebartz-van Elst das Gerücht streut, das Bistum solle aufgelöst werden? Belegt er, dass das geschieht, um die Leute „zu disziplinieren“?

Diezemann: „Tebartz-van Elst bedient mit seinem autoritären Führungsstil freilich die konservativen Kreise der katholischen Kirche. Und die sind zurzeit in der Defensive (Bilder des neugewählten Papstes). Denn Papst Franziskus hat ein ganz anderes Bild der katholischen Kirche vor Augen.“

Den belastbaren Beleg für den „autoritären Führungsstil“ bleibt der gesamte Beitrag von Diezemann schuldig. An Gegenbeispielen mangelt es hingegen nicht (siehe oben beispielhaft Frau Schillai und Frau Schlausch).

Beliebt: Papst-Vereinnahmung ohne jeden Beleg der Richtigkeit der These.

Lehnert: „Der will eine mitleidende Kirche. Eine Kirche, die bescheiden ist und nochmal ganz an die Seite der kleinen Leute geht.“

Wieder kommt die Pastoralreferentin aus dem Nachbarbistum zu Wort. Woher weiß sie so genau, was der Papst „will“?

Diezemann: „Und deshalb wird das kleine Limburg nun zum Schauplatz einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen konservativen und fortschrittlichen Strömungen in der katholischen Kirche. Tebartz-van Elst wird zu Symbolfigur eines Glaubenskampfes.“

Wie kommt der Autor zu dieser gewagten These? Aufgrund der Aussagen der Pastoralreferentin aus Trier?

Schüller: „Bischof Tebartz-van Elst wird dann zur Ikone für bestimmte reaktionäre Kreise im Katholizismus.“

Das ist endlich eine Aussage, die eine gewisse Berechtigung hat und der Lebenserfahrung entspricht.

Diezemann: „Was bleibt zu tun für das Bistum? Ruhe bewahren. Denn vieles deutet darauf hin, dass der Papst Tebartz-van Elst wohl kaum gestatten wird, als Bischof nach Limburg zurück zu kehren.

Der Appell zur Ruhe scheint nötig. Denn der Autor bleibt jeden Beweis schuldig, welche „Hinweise“ es geben könnte, dass der Papst Tebartz-van Elst nicht nach Limburg zurückkehren lassen wird.

Und dann, so hoffen viele Gläubige, könnte der Riss, der das Bistum im Moment noch entzweit, wieder geheilt werden.“

Die Gläubigen, die hoffen, dass der Riss durch und mit Tebartz-van Elst geheilt wird, hat Herr Diezemann der Öffentlichkeit vorenthalten.

Kommentare

„Zur Sache Rheinland-Pfalz!“ — 2 Kommentare

  1. Was der Südwestfunk in : “ Zur Sache Rheinland-Pfalz “ an medialen Behauptungen so von sich gibt, erinnert sehr stark an die Behandlung von sogenannten Skandalthemen der „Knallpresse“. Die „Informanten“ der Sendung sind eindeutig Partei, die erkennen lassen, wes Geistes Kind sie sind.
    Der Bürgerinitiative für faire Medien ist zu danken für die Offenlegung der Handhabung einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt mit sensiblen Themen und zeigt auf, wie eine seriöse Berichterstattung geht.
    Ich wünsche ihr eine weite Verbreitung.

  2. Zu der rätselhaften Behauptung von Herrn Schüller, nämlich: „Ich kann ernsthaft als Wissenschaftler nicht sagen, dass ich das noch für vernünftig erachten kann. Das sind Pamphlete, die er (Anm.: gemeint ist der Kirchenhistoriker Walter Kardinal Brandmüller, s.o.) von sich lässt. Auch das Zerrbild, was er über das Bistum Limburg beschreibt, äh, mit Wissenschaft, mit Akkuratesse, mit Sorgfalt hat das nichts mehr zu tun.“

    Da irrt Herr Prof. Schüller ganz gewaltig (und die Vokabel „Pamphlet“ in diesem Zusammenhang ist eigentlich eine Unverschämtheit, aber wenn man sonst keine Argumente hat…):

    Kirchenhistoriker Walter Brandmüller bestätigt mit seinen Ausführungen den Mainzer Kircherechtler Georg May und den Dogmatiker Leo Kardinal Scheffczyk
    http://frischer-wind.blogspot.de/2014/02/fehlentwicklungen-im-bistum-limburg.html

    Klasse Idee, der „Faktencheck“!